Mathilde Borsinger-Müller führte die Blume zuerst mit ihrem Ehemann, Franz Borsinger, und nach seinem Tod 1898, alleine weiter.

 

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Von 1880 bis 1915 schrieb die Hotelière Mathilde Borsinger-Müller jeden Silvesterabend einen Jahresrückblick in ein Buch. Entstanden ist damit ein spannendes und überaus poetisches Werk, das einen seltenen Einblick ins Gastgewerbe der Belle Epoque bietet.

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Mathilde Müller verbrachte die Schulzeit in Baden. Sie wohnte in der Burghalde, später in der Pfaffenkappe. 1867 trat sie eine Ausbildung bei einer Familie in Fribourg an. Nach einem Jahr kam sie zurück nach Baden. Sie war Mitglied im gemischten Chor und im Kirchgesang. An der Fasnacht 1870 nahm Mathilde erstmals an einem Maskenball teil und lernte dort Franz Borsinger kennen. Kurze Zeit später erhielt sie von ihm eine prachtvolle Blumenspende. Sie traf ihn bald darauf wieder auf einem Ausflug mit dem Kirchengesangsverein auf der Habsburg an. Am 1. Juni 1870 verlobten sich die beiden und am darauffolgenden 9. Januar 1871 heirateten sie. Ihre Hochzeitsreise führte sie vier Wochen nach München, Augsburg, Stuttgart, Karlsruhe und in das kriegsgebeutelte Strassburg. Dann die Nachricht, dass Soldaten der bourbakischen Armee über die Grenze traten. Das Ehepaar musste nach Hause reisen, da Franz mit einem Aufgebot rechnen musste. Die ersten Gäste, die Mathilde Borsinger-Müller einquartierte, waren denn auch zehn französische Offiziere der Bourbaki-Armee. Mathilde und Franz führten das Hotel geminsam bis 1897, als Franz überraschend verstarb. Mathilde führte daraufhin das Hotel alleine weiter, bis sie es 1909 ihrem Sohn Franz übergab. Sie half auch anschliessend noch stundenweise aus. 1925 verstarb sie in Baden.

An Silvester 1897 schrieb Mathilde Borsinger-Müller den folgenden Eintrag in ihr Sylvesterbuch:

«Heute tauche ich die Feder in mein Herzblut, um das vergangene Jahr zu skizzieren, denn ich schreibe als – Witwe.»

Am Abend des 6. August 1897 verliess Mathilde für zwei Minuten das Büro, offenbar mitten im heiteren Gespräch mit Franz. Als sie zurückkam, hatte Franz einen Herzinfarkt erlitten.

Mathilde führte daraufhin das Hotel alleine weiter: 

«Das habe ich dem lieben toten Vater stille angelobt, die Traditionen seines Hauses hochzuhalten und in seinem Sinne und Geiste die Hinterlassenschaft zu verwalten.»

Per 1. Februar 1909 übernahm der gemeinsame Sohn, Max Borsinger, die Gesamtverantwortung für die Blume, samt Scheune, Stallung, Garten, Eiskeller, den Schartenreben und den Reben im Wettingerberg.

Mathilde wirkte insgesamt 38 Jahre in der Blume und prägte die Entwicklung des Hauses massgeblich.

1882: «In den letzten Stunden des nunmehr abscheidenden Jahres schaue ich noch einmal zurück auf die vergangenen Tage. Wollte ich dem Gefühle der Menge Ausdruck verleihen, ich müsste den verflossenen Zeitabschnitt als ein trübes unseliges Missjahr in die Blätter verzeichnen. Über unserem Hause jedoch hat Gottes Segen gewaltet, was wir mit dankerfülltem Herzen erkennen. Der Geschäftsgang war ein recht günstiger zu nennen und wenn auch der Ausfall des ergiebigen Rebertrages für Beutel und Keller ein höchst fühlbarer war, so mussten wir uns eben mit hundert Anderen trösten, denen die kalten Fröste des 17. Mai ebenfalls alle Hoffnung auf Herbstfreuden vernichtete. Aus unseren zwei Jucharten haltenden Rebstöcken bezogen wir eine halbe Bütte saurer unreifer Trauben.»

1889: «Im eigenen Haus vollzog sich auf den 1. Okt. ein grosser Wechsel, die seit 10 Jahren uns sehr treu dienende Köchin Marie Müller führte ihren Entschluss, in den Ordensstand zu treten aus, was mich tief berührte.»

1889: «In den letzten 14 Tagen trat eine in Russland zuerst erschienene Krankheit, Influenza genannt, auf und verbreitete sich mit Riesenschnelle über ganz Europa. Glücklicherweise ist diese Art «Grippe» nicht von bösartigem Charakter, aber doch werden ganze Familien davon erfasst und für 5-6 Tage arbeitsunfähig gemacht, ein Umstand, der Handel und Gewerbe empfindlich daniederdrückt.»

1890:  «So ist denn gleich nach Neujahr die Influenza bei uns eingezogen und hat wie allerorts sich sehr unvorteilhaft entpuppt. Wie viele Opfer hat nicht diese heimtückische Krankheit gefordert, kein Alter, Stand noch Beruf wurde von ihr verschont und ich danke Gott aus tiefster Seele, dass bei uns alles glücklich abgelaufen ist. Infolge dieser Krankheitserscheinungen entwickelte sich der Fremdenbesuch im Februar und März rasch, dauerte überhaupt den ganzen Sommer durch fort.»

1891: «Das Geschäftsleben zeigte wenig Animation und namentlich brachten die Monate Mai und Juni ein bedeutendes Defizit in die gewöhnlichen Berechnungen.» 

«Blutigrot steht der 14. Juni in der Geschichte da, denn an jenem Tage ereignete sich bei Münchenstein ein schreckliches Eisenbahnunglück infolge Einsturz der Birsigbrücke. 63 Tote und über hundert Verwundete versetzten namentlich die Stadt Basel in tiefste Trauer und die ganze Schweiz in grosses Mitgefühl. Und doch vermochte diese schauerliche Katastrophe nicht, den Jubel und die grossartigen Anstrengungen zu unterdrücken, die allüberall im ganzen Lande gemacht wurden, um am 1. August die 500-jährige Bundesfeier aufs würdigste zu begehen.»

1895: «Indessen entwickelte sich ein reges Geschäftsleben in unserem Hause, die Schweiz wimmelte von Fremden und Touristen, sodass ausnahmsweise auch unser Baden im Hochsommer sehr stark frequentiert war. Die Berghotels blieben bis Ende September gefüllt, in den Annalen des Wirtschaftswesens wird die Saison 95 eine vorzügliche genannt werden können.»

1897: Verkauf Hasselland für CHF 112‘000. «Diese günstige Gelegenheit veranlasste uns neuerdings auf ein Projekt zurückzukommen, das uns schon jahrelang beschäftigte: Die Erstellung eines Personenaufzugs, zumal gerade in jener Zeit eine neue städtische Wasserinstallation beschlossen wurde, die uns die technische Frage lösen half.»

1898: «Endlich anfangs Juni gelang das Werk zur allgemeinen Befriedigung und eine starke Frequenz namentlich der oberen Etagen liess diese Neuerung zeitgemäss erscheinen.»

1900: «Mit dem Glockenschlage zwölf führt heute Nacht ein Jahrhundert in die Unendlichkeit. Wie klein und nichtig muss sich der Mensch fühlen, wenn er Zeit und Ewigkeit mit seinem Denken erfasst, wenn er den Blick in die Zukunft schickt und frägt: was wird sein, wenn wiederum dieser Kreislauf sich erfüllt hat?»

1900: «Am 11. Jan reiste der liebe Max nach Rom, um dort im Hotel de Russie Stellung zu nehmen bis nach Ostern.»

 

1907: «Derselbe (der Sommer) brachte uns eine nie gesehene Fremdenfrequenz nach unserem Badestädtchen, sodass der Saisonabschluss mit 13‘000 Fremden endigte.»

Einrichtung einer Zentralheizung: «wie sie jetzt so vielfach zum begehrten Bedürfnisse wird.» Die Blume war dafür während fünf Wochen geschlossen.

1910: «Ob diese beiden Schuld trafen an der nun folgenden Wasserkatastrophe vom 15. bis 18. Juni in der Mittel-, Nord- und Ostschweiz, ebenso auch in Mittel- und Osteuropa? Ununterbrochen stürzten 2-3 Tage lang mächtige Regengüsse vom Himmel und richteten durch reissende Wasser und Erdschlipfe ein Landesunglück an. Selbst unsere sonst gesittete Limmat kam aus Rand und Band, überflutete die Promenade als reissender Strom und liess in Ennetbaden die Leute nicht mehr in die Häuser herein. Vom Hirschen bis zum Schwanen vermittelten schnell errichtete Laufstege den Verkehr und mancher von den ältesten Männern schüttelte den Kopf und sprach mit Wehmut: Seit 50 Jahren ist mir kein solcher Anblick geworden. Die Witterungsverfassung blieb auch die denkbar traurigste bis Mitte Juli. Zu all diesen unheilvollen Erscheinungen gesellte sich noch das Gespenst der Cholera, die plötzlich in Italien, namentlich in der Provinz Bari auftauchte.»

1911: «Der 20. Juli brachte Jung und Alt eine grossartigste freudigste Überraschung. Es ist 9 Uhr morgens, Geräusch macht sich hörbar wie von einem herannahenden Auto, da fährt über die Lägern gen Brugg zutreibend die «Schwaben» in majestätischem Fluge von Graf Zeppelin selbst gesteuert. Wir leben in einer grossen Zeit und der Zeiten grösstes Wunder ist dieses lenkbare Luftschiff.»

 

1914: «Noch niemals seit den vielen Jahren, da ich jeweilen am Sylvesterabend meine geistige Jahresrechnung abschliesse, ist mir die Eintragung derselben so schwer geworden wie am heutigen Tage. In kurzen Worten lässt sich erklären, wenn ich niederschreibe: seit vier Monaten ist der schreckliche Weltkrieg entbrannt.  Selbst die harmonischen Weihnachtsglocken, die in allen Landen den Frieden auf Erden verkünden, erschallen ungehört in dem Kanonendonner und Ringen von Millionen von Menschen, die aus den fernsten Erdteilen hergezogen wurden zu dem grausigen Massenmorde.»

Borsinger-Müller, Mathilde: Sylvesterbuch. Familienchronik der Borsinger zur Blume in Baden, Basel, 1997.

Müller, Florian: In der «Blume» in Baden trifft Florenz auf Paris, in: Badener Neujahrsblätter 2021, Baden, 2021.

 

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