Der hydraulisch angetriebene Lift von 1897/1898 und der heutige Lift mit Blick ins Atrium.

Lift und Legende​

In den Jahren 1897/1898 liess das Hotelier-Ehepaar Franz und Mathilde Borsinger-Müller einen hydraulisch angetriebenen Lift der Firma Schindler einbauen. Die Kabine wurde 1948 komplett ersetzt, gewisse gusseiserne Elemente sind erhalten. Handelt es sich tatsächlich um den legendären Schindler-Lift Nummer 2?

Mehr Informationen

Der Lift in der Blume galt lange Zeit als ältester Schindler-Aufzug der Welt. Die Geschichte des legendären «Schindler Nr. 2» lebt zwar weiter, gehört aber definitiv ins Reich der Legenden. Ein NZZ-Artikel von 2007 nennt das Konstruktionsdatum 1874, was nicht möglich ist. Der ursprüngliche Lift wurde zwar tatsächlich von der Firma Schindler hergestellt und hydraulisch angetrieben, aber erst in den Jahren 1897/1898. Schindler hatte bereits vorher einige hunderte Lifte gebaut, dementsprechend muss die Nr. 2 in Frage gestellt werden. Die jetzige Kabine mit einer Fensteröffnung gegen das Atrium hin stammt aus dem Jahr 1948. Wie das Archiv der Firma Schindler zeigt, kostete die Renovation damals 18’617.30 Franken. Die letzte Renovation des Lifts fand im Jahr 2006 statt.

1897: Hotelier Franz Borsinger beauftragt den Badener Architekten Robert Moser, den Aufzug zu skizzieren. Die Familie konnte offensichtlich im Juli Land verkaufen, und hatte so die finanziellen Mittel für ein Projekt, «das uns schon jahrelang beschäftigte.»

1897: «Die Erstellung eines Personenaufzugs, zumal gerade in jener Zeit eine neue städtische Wasserinstallation beschlossen wurde, die uns die technische Frage lösen half.»

1897: Franz Borsinger stirbt überraschend und Mathilde Borsinger-Müller führt das Projekt zu Ende. Sie schliesst im Herbst oder Winter 1897 einen Vertrag mit der Firma Robert Schindler in Luzern ab.

«Anfangs Dezember haben wir mit den baulichen Veränderungen im Hause begonnen und Max (=der Sohn) leitet die Sachen wohl mit der Begeisterung seiner 19 Jahre aber leider ohne die erfahrene Mitwirkung seines lb. Vaters.»

1898: «Die Gleichmut meines Inneren erlitt im letzten Frühjahr allerdings manchen empfindlichen Stoss durch die schleppenden Arbeiten des zu erstellenden Aufzuges. Endlich anfangs Juni gelang das Werk zur allgemeinen Befriedigung und eine starke Frequenz namentlich der oberen Etagen liess diese Neuerung zeitgemäss erscheinen.»

1948: Offensichtlich bleibt der hydraulisch betriebene Lift bis 1948 bestehen und wird dann, abermals von der Firma Schindler, durch einen elektrischen Lift mit Blechkabine ersetzt. Wie das Archiv der Firma Schindler zeigt, kostete die Renovation damals 18‘617.30 Franken. Gewisse gusseiserne Elemente und seitliche Gitter des alten Aufzugs bleiben bestehen.

2006: Grössere Renovation des Lifts, auch Anlegung eines Fensters in Richtung Atrium.

Einer der ersten Aufzüge der Schweiz wurde in nächster Nähe der Blume eingebaut, im Grand Hotel Baden (1876-1944). Mit dieser neuen technischen Möglichkeit ging auch ein neuer Beruf einher: der Liftboy. Auch in der Blume wurde diese Funktion besetzt. In den 1920er Jahren kümmerte sich die Saal-Lehrtochter gleichzeitig um den Lift.

Die ersten Lifte der Schweiz wurden in Westschweizer Hotels und im Berner Oberland eingerichtet. Nach Experimenten mit anderen Systemen setzten sich die hydraulischen Liftantriebssysteme in den 1870er- und 1880er-Jahren durch. Oft blieben diese Anlagen lange Zeit in Betrieb, ungeachtet der ebenfalls Ende des 19. Jahrhundert aufkommenden neuen Energieform Elektrizität. Gemäss dem Hotelhistoriker Roland Flückiger-Seiler finden sich elektrische Aufzüge in den Schweizer Hotels generell erst kurz vor dem Ersten Weltkrieg. Die Liftinstallationen in Hotels führte zu höheren Hotelgebäuden, da die Zimmer in den oberen Stockwerken leichter zu erreichen waren und somit aufgewertet wurden.

Zweifellos verfügten die ersten Lifte noch nicht über derart ausgeklügelte Sicherheitssysteme, wie sie heute bestehen. In Zeitungsberichten liest man über tragische Unfälle aus der Anfangszeit der Lifte:

«Im Februar 1878 führte ein Lift der Marke Edoux zu drei Todesfällen im Grand Hotel Paris, und 1881 sind im Hotel Belvédère in New York sechs Personen vom fünften Stock des Hotels bis in den Keller des Hotels gestürzt.»

Über Zwischenfälle mit dem Lift in der Blume ist nichts bekannt.

Hotels gehörten Ende des 19. Jahrhunderts zu den innovativsten Betrieben überhaupt. Viele erstmals in Hotels eingeführte Techniken fanden sich später, oder einiges später auch in den Privathäusern. So brannte beispielsweise im Hotel Kulm in St. Moritz im Jahr 1879 zum ersten Mal kontinuierlich elektrisches Licht in der Schweiz. Der Telegraf erwies sich als wichtiges Instrument für die Hotelreservation, wie auch später das Telefon, das erstmals in der Schweiz in einem Hotel installiert wurde. Elektrische Strassenbahnen und Seilbahnen entstanden in Tourismusgebieten, nicht etwa für die einheimische Bevölkerung, sondern in erster Linie für die angereisten Gäste. Im Haus erstellte Sanitäranlagen erhöhten den Komfort der zunehmend körper- und hygienebewussten Klientel.

Roland Flückiger-Seiler beschreibt die ersten Liftkabinen:

«Liftkabinen bestanden in ihrer Frühzeit aus einem schmiedeisernen Rahmen. Im Innern waren sie holzgetäfelt und manchmal mit kleinen Intarsien ausgeschmückt. Die Türe, durch die man eintrat, hatte eine Verglasung, und bei jeder Station sicherte eine zweite Türe, oft ein schweres Metallgitter, den Zugang. […] eine Sitzbank, meistens lederbezogen, in vornehmeren Etablissements ein gepolstertes Sofa, bot den Damen eine standesgemässe Sitzgelegenheit.»

Badener Tagblatt, 16.7.2017, Artikel

Baumgartner, Beat: Senkrechtstarter

Borsinger-Müller, Mathilde: Sylvesterbuch. Familienchronik der Borsinger zur Blume in Baden, Basel, 1997, S. 57ff.

Flückiger-Seiler, Roland: Hotelpaläste zwischen Traum und Wirklichkeit. Schweizer Tourismus und Hotelbau 1830–1920, Baden 2003, S. 129.

Flückiger-Seiler, Roland: Hotelträume zwischen Gletschern und Palmen. Schweizer Tourismus und Hotelbau 1830–1920, Baden 2001, S. 62.

Lapointe Guigoz, Julie: «L’innovation technique au service du développement hôtelier: le cas des ascenseurs hydrauliques dans l’arc lémanique (1867–1914)», in: HUMAIR, Cédric, TISSOT, Laurent: Le tourisme suisse et son rayonnement international. Switzerland, the playground of the world, Lausanne 2011.

Müller, Florian: Das vergessene Grand Hotel. Leben und Sterben des grössten Hotels in Baden 1876-1944, Baden, 2016, S. 62ff.

NZZ, 1.6.2007: Artikel

Weitere Bilder

 

Die Infopoints
10 / 11 / 12
befinden sich auf der zweiten und dritten Etage des Atriums.