Die Venus-Statuette, einer der wertvollsten Gegenstände der Ausstellung.

Damals im Damensalon

Diese Venus-Statuette war ab den 1870er Jahren im Damensalon des Hotels Blume ausgestellt. Franz Xaver Borsinger zeigte damals römische Fundgegenstände in seinem «Antiquitäten Cabinet». Noch vor der Gründung des Historischen Museums Baden konnten die Kurgäste der Blume also bereits in die römische Vergangenheit Badens eintauchen.

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Die Büste der erhaben blickenden Göttin mit Diadem ist lange als Juno gedeutet worden. Das erotische Motiv der entblössten Schulter und die in die Brust fallenden üppigen Locken hat die neuere Forschung jedoch dazu bewogen, das Bildnis als Venus zu erkennen. Anhand von Vergleichsfunden aus Italien und Spanien lässt sich zeigen, dass die Venusbüste in ihrer ursprünglichen Funktion das Zaumzeug einer lebensgrossen Pferdestatue zierte. Wahrscheinlich stand die Reiterstatue auf einem öffentlichen Platz und stellte einen bedeutenden Statthalter oder den Kaiser dar. Die Art dieser Propaganda und der Stil der Büste weisen auf eine Herstellung in Italien in der ersten Hälfte des 1. Jahrhunderts. Unklar ist, wie und wann die Venusbüste nach Baden in das Lararium gelangt ist. Vielleicht hat der kunstsinnige letzte Besitzer das gute Stück bei einem Altwarenhändler günstig erstehen können?

In den 270/280er Jahren zerstörte ein Brand (oder mehrere) einen Grossteil der Siedlung von Aquae Helvetica (dem römischen Baden). Die meisten Gebäude wurden nicht wieder aufgebaut, und so dürfte die Venus während der folgenden ca. 1600 Jahre im Untergrund geruht haben. Erst 1871, bei Ausgrabungen zu einem Scheunen-Neubau des Hotels Blume, wurde sie neu entdeckt – und bald darauf ausgestellt. Franz Xaver Borsinger zeigte sie zusammen mit anderen gefunden Gegenständen in einer Vitrine im Antiquitäten Cabinet im Damensalon des Hotels Blume. 1907 lieh Mathilde Borsinger-Müller die Statuette ans Landemuseum Zürich aus. Sämtliche römischen Funde der Blume standen damals zum Verkauf, jedoch schien der Preis dem Historischen Museum Baden zuerst zu hoch. Erst im Jahre 1925 konnten die Funde vom Historischen Museum Baden zu einem günstigeren Preis erworben werden. Seit diesem Zeitpunkt ist die Venus-Statuette ausgestellt.

Die aus dem Schaum des Meeres geborene Venus ist Göttin der Liebe, der sinnlichen Begierde und der Schönheit. Der Legende nach ist Venus zudem die Mutter des mythischen Gründervaters Aeneis. Als Stammmutter (Venus Gentrix) des römischen Volkes wird sie deshalb besonders verehrt.

Juno ist die Gemahlin von Jupiter und höchste römische Göttin. Sie ist die Göttin der Frauen und Beschützerin der Familie und der Ehe.

Im Herbst 1871 liess der Hotelier der Blume, Franz Xaver Borsinger, ein Ökonomiegebäude (Scheune/Waschhaus) im Haselfeld errichten. Bei Ausgrabungen wurden Grundmauern mehrerer römischer Häuser und verschiedene Gegenstände entdeckt. Der bekannte Archäologe Ferdinand Keller beschrieb die Funde im Anzeiger für schweizerische Alterthumskunde von 1872:

«Kaum einen Fuss tief unter der Oberfläche traten die Mauern zwei aneinader stossender Gebäude zu Tage, deren Konstruktion allein schon die Wohlhabenheit des Erbauers bezeugte. Das Material derselben, aus zurecht geschlagenen Feldsteinen, Jurakalk und Ziegeln bestehend, mit Ziegelmörtel verbunden und regelmässig geschichtet, war auf der Aussenseite mit einem Verputz belegt, in welchem Linien, die einen Quaderbau nachahmten, eingerissen waren. Der ursprüngliche Boden befand sich in einer Tiefe von 11 Fuss, und hier wurden in dem engen Raume zwischen zwei Häusern die durch Feuer und nachherige Oxydation stark beschädigten Bronzefiguren gefunden (…)»

Keller vermutet, dass es sich beim Fundort um ein wohlhabendes Landhaus handelte. Insgesamt wurden auf dem Gelände drei Brandschichten freigelegt. Nach dem dritten Brand fand keine Restauration der Gebäude mehr statt.

 

«Die oberen Brandschichten enthalten, leider grösstenteils in Fragmenten, eine Menge Gerätschaften, die sich entweder auf die bauliche Einrichtung des Hauses oder die Ausrüstung der verschiedenen Gemächer beziehen, wie z.B. Dachziegel, Heizröhren, Stücke von bemalten Wänden, Handmühlsteine, Amphoren, Scherben von Kochgeschirr und aretinischer Erde (…), Tonlampen, (…) dann verschiedene Dinge aus Bronze, endlich eine Menge Eisengeräte, nämlich Ketten, Beschläge an Türen und Wagen, Schlüssel, Ackerbau- und Gartengeräte.»

«Wie das Titelblatt dieses Verzeichnisses zeigt, befinden sich die eben beschriebenen Gegenstände in einer kleinen Privatsammlung ausgestellt und der Eigentümer, F. X. Borsinger, Hotel Blume, Baden, ist stets gerne bereit, dieselben den geehrten Alterthumsfreunden vorzuweisen. »

Der Kurort Baden boomte in der Gründerzeit und der Belle Epoque, so dass zu dieser Zeit fast jedes Jahr mehr Gäste den Weg an die Limmat fanden. Eine Badekur war aber mehr als nur im Wasser verbrachte Zeit. Ebenso wichtig war der gesellschaftliche Austausch. Man interessierte sich für Kunst, besuchte Konzerte im Kurhaus oder unternahm kulturelle Exkursionen in der Region. Und auch die Auseinandersetzung mit der Geschichte durfte nicht fehlen: Im Laufe des 19. Jahrhunderts kamen bei Bauarbeiten in Baden immer wieder römische Funde zum Vorschein. Die römische Vergangenheit des Ortes wurde nach und nach zum Markenzeichen und Werbeträger. Im Kurhaus war bereits ab 1876 eine kleine Sammlung auf der westlichen Längsseite des Konzertsaales untergebracht.

Zu dieser Zeit war das Bürgertum die treibende Kraft der schweizerischen Gesellschaft, Kultur und Politik. Es bestand aus Industriellen, Kaufleuten, Direktoren grosser Unternehmen, Ärzten, Advokaten und weiteren Angehörigen freier Berufe, hohen Beamten, Professoren der Hoch- und Mittelschulen, Pfarrer, sowie vermögenden Rentnern. Die Abgrenzung gegenüber der Arbeiterschaft zeigte sich im Freizeitverhalten. Man widmete sich der Literatur, der bildenden Kunst, der Musik und die Geschichte hatte einen wichtigen Stellenwert, auch im Kurgebiet. Hier manifestierte sich der Unterschied gegenüber anderen Schichten, die ja auch in Baden kurten, in erster Linie über die Wahl des Hotels, aber auch über das gesellschaftliche Rahmenprogramm der Badekur.

Der Historiker Tommy Sturzenegger erklärt in seiner Arbeit zur Gründung des Landesmuseums die damalige Motivation für das Sammeln von Gegenständen:

«Das Sammeln von Altertümern reflektierte das ästhetische Bewusstsein des Bürgertums und stellt bereits eine Gegenbewegung zu den industriell gefertigten Massenwaren dar. Weil die Güter des täglichen Bedarfs durch maschinelle Produktionsmethoden keinen künstlerischen Wert mehr darstellten, erlebten die alten Sachen, die man auf Dachstöcken, in Klöstern und Burgen fand, eine eigentliche Renaissance.»

Hinzu kam auch die nicht ganz unbegründete Angst, diese Gegenstände, die nun als wertvoll angesehen wurden, durch Verkauf ans Ausland zu verlieren (vgl. Theorie des Abfalls von Michael Thompson). So standen beispielsweise auch die römischen Funde in der Blume während langer Zeit zum Verkauf. Diese Verkäufe waren oft auch ein Treiber der ersten Museumsgründungen, so auch des Historischen Museums Badens.

Ab der Mitte des 19. Jahrhunderts wurde in Baden vermehrt gesammelt und geforscht. Die Idee eines antiquarischen Museums entstand 1875, auch aufgrund vieler neuer Funde beim Bau des Kurhauses. Federführend war Bartholomäus Fricker, der Präsident der Museumskommission von 1875 bis 1913. Er und die Stadt Baden mussten sich jedoch ca. 40 Jahre gedulden, bis das Historische Museum im Landvogteischloss im Juli 1913 seine Tore öffnen konnte.

 

Zubler, Kurt: Ausstellungstext zum Thema Götterhimmel, Historisches Museum Baden.

Borsinger, Franz Xaver: Verzeichniss ausgegrabener Antiquitäten, Hotel Blume, Baden, Schweiz, 1877 (Digitalisat ZB Zürich: pdf)

Tanner, Albert: Arbeitsame Patrioten – wohlanständige Damen, Bürgertum und Bürgerlichkeit in der Schweiz 1830 – 1914, Zürich 1995, S. 1.

Historisches Lexikon der Schweiz; Artikel Bürgertum https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/009586/2006-05-19/ (HLS)

Sturzenegger, Tommy: Der grosse Streit, Wie das Landesmuseum nach Zürich kam, Zürich, 1999, S. 26-29

Zubler, Kurt: Ausgegraben : Sammler, Sammlung und Sammlungsgeschichten : zum 125-Jahr-Jubiläum der Gründung des Historischen Museums Baden, Badener Neujahrsblätter, 2000. (pdf)

Weitere Bilder

 

Die Infopoints 13 und 14 befinden sich im Historischen Museum Baden.

Die Infopoints 1-12 sind im Atrium-Hotel Blume angebracht. (siehe Pläne unten)

Atrium-Hotel Blume – Erdgeschoss

Atrium-Hotel Blume -Erster Stock

Die Infopoints
10 / 11  / 12 befinden sich auf der zweiten und dritten Etage des Atriums.